Sonntag, 20. August 2006

Don Demidoff das schwarze Schaf

Aus dem Delbrücker Stadtanzeiger vom 17.12.1993

Nach einem Jahr Rumänien: ”Ich wurde ausgenutzt„


Mastholter Hermann Lübbert kam, um zu helfen – und geriet an „schwarzes Schaf“

Mastholte. Vor einem Jahr gab Hermann Lübbert aus Mastholte seinen Beruf auf und ging nach Rumänien: Er wollte helfen – obdachlose Kinder betreuen. Selbsthilfeprojekte aufbauen, den Menschen dort unter die Arme greifen, damit sie wieder eine Zukunft sehen. Im August gab er auf – tief enttäuscht und menschlich verletzt. Hermann Lübbert war an eines der „schwarzen Schafe“ unter den rumänischen Hilfsprojekten geraten – geleitet von einem falschen Priester, dem wegen Betruges vorbestraften Pater Don Demidoff.


„Ich bin nur ausgenutzt worden“ ist heute die Erkenntnis des 40-jährigen Mastholters. Lübbert, den man in Mastholte wegen seiner Hilfsbereitschaft und seiner tiefverwurzelten christlichen Glaubens kennt, macht diese Erkenntnis sichtlich schwer zu schaffen. Dennoch berichtete er dem Stadtanzeiger ausführlich über seine Erfahrungen mit „Pater Don“, dessen engster Mitarbeiter er zuletzt war. Denn der falsche Priester sammelt noch immer europaweit Spenden für sein Rumänienprojekt – unter anderem auch per Spendenaufruf in Rietberg und Delbrück. Hermann Lübbert geht es vor allem um die Aufklärung der Bevölkerung: Er hat allen Anlaß, daran zu zweifeln, daß die Spendengelder tatsächlich in Rumänien eingesetzt werden. Lübbert bekam während eines Hilfstransports nach Rumänien, den er als Freiwilliger begleitete, erstmals Kontakt zu dem Kinderheim „Casa Don Bosco“ in Cincu nahe bei Fagares und zu dessen Leiter „Pater Don“. Die Notsituation im Winter in dem Heim forderte Hermann Lübbert Sinn fürs Praktische heraus. Und er glaubte endlich gefunden zu haben, wonach er schon so lange gesucht hatte: eine Möglichkeit anderen Menschen mit aller Kraft, aber auch in aller Stille zu helfen. Hermann Lübbert zog die Konsequenzen: Der gelernte Bäcker hatte sich gerade eine selbstständigen Elektronikhandel aufgebaut – er gab alles wieder auf, ging nach Rumänien zu Pater Don und arbeitete 18 Stunden täglich für einen Lohn von umgerechnet 100 Mark monatlich. „Ich bin sehr naiv da reingegangen“, weiß er jetzt, „mit blindem Eifer und blindem Gehorsam.“ Erst die enge Zusammenarbeit mit dem zweifelhaften Geistlichen Demidoff verschaffte im Einblick und weckte Zweifel. Das „Casa Don Bosco“ wird nach dem gleichen Modell finanziert wie viele Heime für Straßenkinder in Rumänien auch: Mit direkten Geldspenden, mit Kleiderspenden, die zum größten Teil in einem eigenen Second-Hand-Laden verkauft werden, mit Lebensmittelspenden. Hermann Lübbert weiß jedoch aus eigener Anschauung: Was da reinkommt, ist mehr als genug für die Unterhaltungskosten des Heimes – wesentlich mehr. Er rechnet vor: In dem Second-Hand-Laden werden an jedem der sechs Öffnungsteage pro Woche umgerechnet 1000 Mark Umsatz gemacht – gebrauchte Kleidung aus dem Westen hat in Rumänien einen hohen Stellenwert, der Absatz ist reißend. Andererseits sind die Kosten gering: Für das Kinderheim rund 80 Plätze braucht Pater Don nicht mehr als 7000 Mark monatlich. Es blieb also allein schon aus der einen Quelle viel Geld übrig. Lübbert versuchte daher Selbsthilfeprojekte aufzubauen – eine eigene kleine Bäckerei und eine Näherei. Die arbeitslosen Jugendlichen motivierte er zum Bau von Wasserleitungen und zur Renovierung des alten Dorfbrunnens. Seine Kreativität war Pater Don jedoch ein Dorn im Auge. „ich konnte schließlich nur noch das Baumaterial bestellen, wenn der Don gerade wieder mal im Urlaub war.“ Dabei erschöpften auch diese Ausgaben den Etat längst nicht. Dennoch stoppte Demidoff Lübberts Aktivitäten- mit der Begründung, es müsse ja auch wieder „Geld reinkommen“. Allein dreimal in 1993, so weiß Hermann Lübbert, startet Pater Don großangelegte Spendenaufrufe in ganz Europa. 30000 in der Schweiz angekaufte Adressen wurden mit „Bettelbriefen“ und farbigen Postkarten bombardiert. „Jede Aktion, so erinnert sich der empörte Mastholter, „kostete um die 10000 Mark. Er bezweifelt das der Ertrag der Spendenaufrufe den Aufwand tatsächlich überwogen hat, vermutet dahinter in Wahrheit aber auch nur eine raffinierte Form der „Geldwäsche“: Das im Rumänien eingenommene Geld aus dem Kleiderverkauf ist einer rasanten Inflation unterworfen – die Spendengelder aus ganz Europa dagegen sind harte Devisen. Und die laufen auf Auslandskonten auf und werden in Österreich zusammengezogen. Dort wird das Geld von Pater Don abgeholt – in bar. Die weitere Verwendung entzieht sich damit jeder Kontrolle. Lübbert, der Demidoff mehrmals in Wien begleitete, ärgerte sich über den Lebensstil des angeblichen Geistlichen außerhalb Rumänien: Pater Don wohnte in den teuersten Hotels und speiste in vornehmen Restaurants – auf Kosten von Spenden. Und auch in Cincu selbst wußte der dickköpfige Demidoff seine finanziellen Interessen zu wahren. „Einmal habe ich selbst miterleben müssen, wie fünf Tonnen Kleiderspenden einfach vernichtet wurden.“ Die Textilien, von westlichen Spendern sorgfältig gewaschen und gebügelt, wurden verbrannt. Dem energisch protestierenden Mastholter wurde erklärt, ein Überangebot schädige nur den Absatz im eigenen Laden. Auch Medikamente, die Lübbert gemeinsam mit einem Arzt direkt an bedürftige verteilen wollte, schickte der Pater lieber in die Uni-Klinik nach Bukarest – weit weg und wenig kontrollierbar. Lübbert kriegte auch allzu deutlich mit, wie Pater Don Behörden mit großzügigen Bestechungsgelder fütterte, rumänische freunde, die ihm vor Ort den Weg ebneten, mit Autos und teuren Sachgeschenken überhäufte. Und er ärgerte sich immer wieder über den Umgang des angeblichen Priesters mit den Kindern: „Ich kann einfach nicht verstehen, wie jemand die Messe lesen und schon zehn Minuten später ein Kindschlagen kann.“ Dennoch hatte Hermann Lübbert lange stillgehalten – weil er die Kinder und das Dorf nicht im Stich lassen wollte und weil für ihn als strenggläubiger Menschen ein geweihter Priester eine Autorität darstellt. Der „Knackpunkt“ kam schließlich im letzten August: Da entdeckte er rein zufällig im Papierkorb von Don Demidoff eine ausführliche Meldung der katholischen Nachrichtenagentur KAN, die vor dem falschen Priester warnte und sein dubioses Vorleben aufdeckte. Das gab dem Ausschlag: Lübbert packte seine Koffer und zog sich tief enttäuscht für mehrere Wochen in ein Kloster in Freiburg zurück. Diese Enttäuschung hat er noch immer nicht überwunden – aber er will möglichst bald wieder ein Hilfsprojekt finden, in dem er sich engagieren kann – allerdings nicht mehr in Rumänien.

Der falsche Pater Don und seine „Karriere"


Vom vorbestraften Kneipenwirt zum dubiosen Spendensammler im Priestergewand

Der angebliche „Pater" mit dem bühnenreifen Namen „Donatus Demidoff ist deutschen und holländischen Kirchen schon lange ein Dorn im Auge: Mehrmals in den vergangenen Jahren warnten das Erzbistum Freiburg und andere bundesdeutsche Diozösen so wie die niederländische Bischofskonferenz vor „einem gewissen Pater Donatus aus Amsterdam" der deutsche Pfarreien um Spenden für die angebliche Einrichtung eines Heimes für heimatlose Jugendliche bat. Der Mann sei weder katholischer Priester noch sei den Kirchen etwas von dem Kinderheim bekannt.
Bekannt war dafür aber „Pater Don": Nach Erkenntnissen der katholischen Nachrichtenagentur KNA hat der angebliche Priester 1990 und 1991 als Udo Erlenhardt im westfälischen Kleve vor Gericht gestanden und ist wegen Betrug und Unterschlagung verurteilt worden. Damals aber war er kein amtierender Priester, sondern ein Kneipenwirt, der seine Angestellten um die Sozialabgaben "betuppte" und von Banken Kredite ergaunerte. Der Untersuchungshäftling bezeichnete sich zwar als Priester, weigerte sich aber standhaft, den Ort seiner Weihe preiszugeben. Außerdem habe er seinen Priesterberuf nur kurze Zeit ausgeübt, sei auf "zivile Berufe" umgestiegen: Journalist, Lehrer, Verkaufstrainer, Manager einer Hotelkette.
Noch schillernder aber wird die Figur des heute 49jährigen „Pater Don", wenn man sich seinen „christlichen" Werdegang anschaut Denn inzwischen hat der stets in Soutane auftretende Spendensammler „Don" unter das Dach einer Kirche zurück gefunden - das der Independant Catholic Church, die in den USA und in den Niederlanden beheimatet ist. In Holland aber machte “Donatus" bereits vor Jahren Schlagzeilen als eifriger Sammler von Spenden für eine Stiftung, die angeblich Straßenkinder betreute - Spenden allerdings, die nach Ansicht der Presse die Kinder nie erreichten.
Nach Recherchen eines Mitarbeiters der Agentur KNA hat „Pater Don" in den letzten Jahren immer wieder und sehr erfolgreich Geld- und Sachspenden für soziale Projekte gesammelt. Inzwischen leitet der 49-jährige jedoch tatsächlich ein Kinderheim in Cincu in Rumänien, weit weg von jeder wirksamen Kontrolle (siehe Hauptbericht). Nachdem der Lippstätder Pfarrer und Journalist Winfried Pietrek über die „seltsamen Methoden des Pater Don" berichtete, geriet Demidoff auch dort ins Zwielicht. Wie Pietrek gegenüber dem RSA erklärte, habe er in Deutschland Kripo und Interpol eingeschaltet, um dem falschen Pater das Handwerk zu legen - allerdings vergeblich: Laut Interpol gibt es mit Rumänien keine Auslieferungsvereinbarung.

Nach Berichten des Mastholters Hermann Lübbert, der ein Jahr lang mit dem dubiosen Pater zusammengearbeitet hat, soll das Kinderheim in Cincu inzwischen in eine rumänische Stiftung umgewandelt worden sein - aber immer noch mit Donatus Demidoff als Geschäftsführer.